Samstag, 22. Oktober 2011

Zur Extremismusdebatte

Sowohl in Stellungsnahmen der Bundesregierung zu Neonazis als auch momentan in fast alle Statements in Wuppertal von Parteien, Presse, Polizei, Bezirksvertretung etc ist von der Ablehnung von „Extremismus und Gewalt“ die Rede. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben.
Der Extremismusbegriff beinhaltet zum einen eine Gleichsetzung von Rechts und Links und umgeht zum anderen eine klare inhaltliche Positionierung bzw. Benennung des Problems.

Mit der Benennung des Problems als „Extremismus“ versichern sich die Erklärenden in der Mitte der Gesellschaft zu stehen und zu den Guten zu gehören,. Das Problem befindet sich demnach an den Rändern der Gesellschaft – im Extremismus. Inhaltlich wird damit jedoch nichts ausgesagt. Würde man den Kampf gegen Neonazis ernst meinen, müsste man sich jedoch ablehnend zu ihren Inhalten positionieren. Das dies nicht geschieht ist jedoch weder überraschend, noch empörend – sondern folgerichtig. Denn die Benennung und Ablehnung der Ideologie der Nazis würde eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Inhalten erfordern. Sind diese doch gar nicht so grundlegend unterschiedlich. Daher meint (zum Beispiel) die CDU genau das was sie sagt: Das Problem ist (zum Beispiel) nicht der Rassismus, sondern lediglich ein Rassismus, der in nicht staatlich legitimierte Gewalt ausartet – im Gegensatz zu staatlicher rassistischer Gewalt wie Abschiebungen.

Die Mitte der Gesellschaft wird im Reden vom Extremismus als unproblematisch dargestellt. Dies ist weit von der Realität entfernt. Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gehören zwar zum Grundrepertoire der Nazis, sie sind jedoch nicht ihr Alleinstellungsmerkmal. Die Diskriminierung von Menschen, die nicht den
vermeintlichen Normen entsprechen, ist alltäglich, allgegenwärtig und leider fest gesellschaftlich verankert. Auf Homophobie trifft man in jedem Sportverein und auch auf Reggae-Konzerten. Antisemitismus ist kein ausschließliches Problem von Neonazis, sondern in allen Bereichen der Gesellschaft und auch in linken Kreisen verbreitet.
Sexismus begegnet uns tagtäglich in den Medien, im Alltag und in der Werbung.
Elemente von Ungleichheitsideologien finden sich bei sehr vielen Menschen unabhängig
von ihrem Geschlecht, Berufsstand, Alter, ihrer politischen Verortung und ihrem
Bildungsniveau.

All dies gerät aus dem Blick – und soll auch aus dem Blick geraten -, wenn sich die Gruppen und Personen, die sich mitten in der Gesellschaft wähnen sich selber immer und immer wieder versichern gegen Nazis zu sein.

Doch das ist nicht das einzige Problem des Extremismus-Begriffs. Neben dieser Verschleierung der Inhalte verharmlost und relativiert er durch die Gleichsetzung von Rechts und Links die rechte Szene. Rechte Ideologie ist nicht nur theoretisch menschenverachtend. Sie ist es auch praktisch. Allein seit 1990 gab es im Gebiet der BRD über 150 Tote durch Gewalt von Nazis. Die Zahl der versuchten Tötungen liegt weit höher.
Dies zeigt auch das die Ablehnung von „jedem Extremismus und jeder Gewalt“ auch im Punkt „Gewalt“, verschleiert worum es geht. Denn es macht einen Unterschied, ob jemand Brandsätze in Häuser, in denen Menschen schlafen, wirft oder ob ein anderer diesen mit körperlicher Gewalt daran hintert. Gewalt ist nicht gleich Gewalt und manchmal leider bitter nötig – aus Selbstschutz und Solidarität mit Betroffenen rechter Angriffe.

Für einen konsequenten Antifaschismus – Das Gerede vom Extremismus-Problem als Teil des Problems entlarven.

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