Donnerstag, 3. November 2011

Stellungnahme zu den Demonstrationen am 9.November in Wuppertal

Stellungnahme zu den Demonstrationen am 9.November in Wuppertal

Am 9.November jährt sich zum 73.mal die Reichspogromnacht, in der Synagogen, “jüdische” Geschäfte, Wohnhäuser und Einrichtungen vom deutschen Volksmob zerstört wurden. Die Reichspogromnacht kann als Beginn der Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden in Europa bezeichnet werden. Um an diesem Tag den Opfern würdevoll zu gedenken, rufen wir und andere linksradikale Gruppen am 9.November zu einer antifaschistischen Gedenkdemonstation in Wuppertal-Elberfeld auf. Zudem plant ein breites Bündnis eine Demonstration in Vohwinkel. Mittlerweile haben auch (Neo-)Nazis eine Kundgebung angemeldet, diese ist momentan jedoch verboten.


Warum zwei Demos?


In Wuppertal wird seit längerem fleißig die Extremismuskeule geschwungen. Dies geschieht meistens nach Übergriffen von Neonazis auf (vermeintliche oder tatsächliche) Antifaschist_innen, Migrant_innen und anderen Personen, die nicht in ihr Weltbild passen. Nicht selten wird im Nachgang versucht die Täter_innen mit den Opfern gleichzusetzen oder gar eine Täter_innen-Opfer-Umkehr vorgenommen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel einer solchen hat der Leiter der Vohwinkler Polizei, Markus Preuß, nach einem Überfall von 15 bewaffneten (Neo-)Nazis auf eine Gruppe linker Flohmarktbesucher_innen am “Vohwinkel-Tag” geliefert. „Nazis machen in Vohwinkel kaum Probleme, das wahre Problem sind in Vohwinkel Linksradikale und Migranten“ ließ Preuß gegenüber der Presse verlauten. Solche Aussagen scheinen von nicht unerheblichen Teilen der (deutschen) Gesellschaft geteilt zu werden. So versuchten z.B. einige Wuppertaler Parteigliederungen und Gruppierungen diese Aussage für ihre politische Agenda auszuschlachten.

Eine andere, nicht ganz so vulgäre, Form der Extremismustheorie ist bei einige Gruppierungen, die für den 9.November zu einer Großdemonstration “gegen Nazis” unter dem Motto “Erinnern heißt handeln” nach Vohwinkel mobilisieren, anzutreffen.

Nachdem wir während der Planungen für unsere antifaschistische Gedenkdemonstration von den Plänen des zweiten Bündnis` erfuhren, entschlossen wir uns mit dem Start unserer Mobilisierung noch ein wenig zu warten und zu versuchen uns der Demonstration in Vohwinkel anzuschließen. Auf einem Treffen des “Bündnis gegen rechts Wuppertal”, auf dem die zweite Demo geplant wurde, schlugen wir vor uns mit einem antifaschistischen Block an dieser zu beteiligen, was aber nicht gewollt war. Auch wurde die Tatsache, dass wir unsere Veranstaltung schon mehrere Monate planten und sogar zu einigen Abstrichen unsererseits bereit waren, schlicht ignoriert. Diese Abstriche beinhalteten das wir unsere Demo zu gunsten der “Großdemo” abgesagt hätten. Als Grund dafür wurde uns lediglich mitgeteilt, dass “unsere” Faschismusanalyse falsch sei und man einen antifaschistischen Block angesichts der Situation in Wuppertal für nicht richtig halte.

Mit Verwunderung haben wir dann den vor kurzem erschienenen Aufruf zu einem “antifaschistischen Block” auf der Demonstration in Vohwinkel zur Kenntnis genommen.

Wir finden es skandalös aber auch bezeichnend, dass auf einer Gedenkdemonstration am 9.November eine antifaschistische Kritik – die über zivilgesellschaftliche Rituale hinausgeht – unerwünscht ist. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, an unserer Mobilisierung zu einer antifaschistischen Gedenkdemonstration in Wuppertal-Elberfeld fest zu halten. Dies ist auch aus einem anderen Grund nur konsequent, denn die im Bündnis vertretenen Gruppierungen machen unserer Ansicht nach einen fatalen Fehler, indem sie es versäumen auf die gesellschaftlichen Bedingungen zu sprechen kommen, welche nazistische Denkformen immer wieder aufs neue (mit-)produzieren.

Nazis

Die von (Neo-)Nazis artikulierten reaktionäre Ideologien – wie z.B. der völkische Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Nationalismus, Antiziganismus, Homophobie etc. – sind auch bei relevanten Teilen der deutschen Mehrheitsgesellschaft anzutreffen. (Neo-)Nazis radikalisieren diese “lediglich” und setzten nicht selten das in die mörderische Realität um, was sich so mancher Volkgenosse im stillen Kämmerlein ersehnt. Eine Kritik an (Neo-)Nazis verfehlt sein Ziel wenn reaktionäre Ideologie(n) nicht konsequent kritisiert und attackiert werden. Dies ist jedoch unmöglich, wenn (Neo-)Nazis nur als Problem einer demokratische Gesellschaft begriffen werden. Stattdessen müssen auch die Verhältnisse, die solcherlei Ideologien immer wieder hervorbringen, angegriffen werden. Insofern ist die deutsche Gesellschaft selbst Teil des Problems, nicht die Lösung.

Nazis am 9. November

Neonazis aus der “Aktionsgruppe Rheinland” mobilisieren für den 9.November zu einer Kundgebung “gegen antifaschistische Hetze und Presselügen” nach Wuppertal. Diese neonazistische Kundgebung kann nur als eine Provokation und eine unentschuldbare Anmaßung verstanden werden. Sie ist zugleich ein Versuch, die Pläne für antifaschistische Veranstaltungen umzuwerfen.

An Tagen wie dem 9.November sehen wir es als wichtig an, den Opfern des deutschen Vernichtungswahns in einem angemessenem Rahmen zu gedenken und eine antifaschistische Kritik auf die Straße zu tragen. Daher rufen wir weiterhin dazu auf, sich am 9.November um 18 Uhr in Döppersberg/Wuppertal Hauptbahnhof zur Gedenkdemonstration einzufinden. Gleichzeitig sind wir uns darüber bewusst, dass es kein ernstgemeintes Gedenken geben kann, ohne eine konsequente antifaschistische Praxis. Es bleibt sinnvoll und notwendig, die neonazistische Kundgebung nicht ungestört ablaufen zu lassen.



“…Denken und Handeln so einzurichten, dass Ausschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe…”
Theodor W. Adorno

Hannas Antifa (Wuppertal), November 2011.

Für Infos, Ankündigungen, Aufruf usw checkt:

http://9novwuppertal.blogsport.de

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